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Genealogie Selmayr


5. Geschichten Selmayr - Seidl

Geschichten und Begebenheiten 

Selmayr - Seidl

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Der lange Weg

von Marianne Seidl

nach Aufzeichnungen
von
Walburga Lidl
München 1880 / 1980

Die 1880 in altdeutscher Schrift geschriebenen Aufzeichnungen von Walburga Lidl über das Leben des Lorenz Seidl („Schmiedlenz“, 1788 - 1888) wurden 1980 von Marianne Seidl, einer Ur-ur-Enkelin des Lorenz Seidl, unter weitgehendem Erhalt des Originaltextes in Maschinenschrift übertragen.

Marianne Seidl hat aus dieser „Schmiedlenz-Story“ im Rahmen von Führungen durch München-Bogenhausen und auf Vortragsabenden erzählt. Sie wurde 2003 im Alter von 75 Jahren von der Stadt München geehrt. In einem Zeitungsartikel über dieses Ereignis wurde Marianne Seidl als „Münchner Original“ bezeichnet.

Willibald Karl, Verfasser des Buchs „Lehm – Ziegel – Stadt“, München 2008 (Volk-Verlag)“, schrieb die maschinenschriftliche Fassung von Marianne Seidl um 2008 für seine Tochter Annabell, die in München als Hebamme arbeitete, ab und schrieb das „Nachwort“. Diese Abschrift blieb jedoch ein Unikat, d.h., sie wurde nicht gedruckt oder vervielfältigt.

Eine Kopie seiner Abschrift überliess Willibald Karl im Jahr 2020 an Gerhard Selmayr (Ur-ur-ur-Enkel von Lorenz und Anna Seidl geb. Brandner). Dieser schrieb die Kopie ab, ergänzte sie um die Anmerkungen zu den genannten Personen, stellte sie auf seine Homepage (www.genealogieselmayr.de) und vervielfältigte sie für die Familie in einigen Exemplaren.
 

 
Text der Schmiedlenz-Storie vn Walburga Lidl

In Gotts Nam.

Ich, die Walburga Lidlin, ehemals Hebamme allhier, wurde anno achtzehnhundertvierzehn am Georgitag zu Bogenhausen geboren und bin ein Balg vom Schmiedlenz.

Der Schmiedlenz, erst Handwerksgesell´, dann Bauer und Ziegelmeister, ist der Dienstherr meiner Eltern gewesen. Mit seiner ersten Frau hat er nicht gut gehaust und deswegen mit meiner Mutter, seinerzeit Stalldirn, was angefangt. Die Folgen - mich - hat sein Oberknecht übernommen, der meine Mutter geheiratet und mir seinen Namen gegeben, mich „ehrlich gemacht“ hat. Dafür überschrieb ihm der Schmiedlenz fünf Tagwerk aus seinem Grund. Laut Taufschein bin ich die eheliche Tochter des Ägidius Lidl, Gütler zu Bogenhausen, und seines - früh verstorbenen - Eheweibs Cäcilie. Von der habe ich meine brandroten Haare geerbt, dazu dem Schmiedlenz sein Gesicht mit den grünen Augen. Der Schmiedlenz hat mich auch aus der Taufe gehoben und mich in meinem dreizehnten Jahr zusammen mit meiner Halbschwester Mariann nach München zu den Clarissen auf die Schule geschickt. Danach bin ich Hebamme geworden, Wehmutter, wie man auch sagt.

Am Sebastiani haben wir den Schmiedlenz im Gottesacker Maria Ramersdorf eingegraben, neben seiner Anna. Der Frau, mit der er am besten gehaust hat. Den Ziegelstadel auf der Ramersdorfer Lüften führt jetzt der Ludwigl weiter, der jüngste von meinen Halbbrüdern. Ich hab laut Testament auf dem Hof das Wohnrecht, solang ich leb. Aber der Ludwigl, der hätte mich auch so nicht fortgeschickt. So mach ich mich halt weiter nützlich, wo ich noch kann. Denn auch für mich wird´s mählich Nacht, ich kann es schon spüren.

Ein altes Leut wie ich braucht immer viel Schlaf. Wenn ich nächtens allein in der Kuchl sitze, wirft die Petroleumlampe Schatten an die gekälkten Wände, die mählich Gestalt und Leben gewinnen. Am End raunen sie mir halb vergessene Geschichten zu, Geschichten aus alten Zeiten. Eines Tages habe ich angefangen, sie aufzuschreiben, in ein Schulheft, was mir ein Urenkel vom Schmiedlenz gab. Es wird eine gar erstaunliche Geschichte, vom Lorenz Seidl, Schmiedlenz genannt, seinem Leben und seinem langen Weg nach München.
Mehr als sechzig Jahr hat er dazu gebraucht.


Und so fängt die Geschichte an:
Anno achtzehnhundertvier, am Laurenzitag, hockten am Abend beim Bogenhausener Wirt ein paar Bauern beinander, beredeten die Zustände, die „Aufklärung“ hießen und „Säkularisation“ - ein Wort, das keinem so recht aus dem Maul wollte - schimpften auch über das Gfrett mit der „neuen Zeit“, wo nichts mehr war wie früher.
Den blutjungen Handwerksburschen, der nach ihnen in die Gaststube trat, glotzten sie alle neugierig an, aber keiner gab ihm sein „Grüaß Good“ zurück. Der „Hergelaufene“ setzte sich an einen Tisch neben der Tür. Erst als er einen blanken Silbertaler vor sich hinlegte, brachte ihm der Wirt selber ein Essen und ein Bier, fragte auch nach dem Woaus und Wohin: „Aha. Der Lorenz bist und Seidl schreibst di. Und stammst von - wia hast gesagt? - ah ja, Sachsenkam. Huf-schmied hast glernt, sagst? Und jetzat bist auf da Walz. Auf München? Jaja, da wollt´s ös alle hin!“
Der Lorenz hatte nichts anderes im Sinn gehabt, als am nächsten Tag in der Früh weiter zu ziehen. Aber die Kellnerin vom Bogenhauser Wirt war ein gar so sauberes Weiberleut! Schad, dass sie ihn nicht einmal anschaute, aber das konnte ja, mit der Zeit, anders werden! Der Wirt warf hin, dass sie auch in Bogenhausen einen tüchtigen Hufschmiedgesellen gebraucht hätten, und dann kam der Schmied selbst dazu, ein Mordsmannsbild, das sich ducken musste, sonst hätt es sich den Schädel am Türstock angeschlagen. „He, Schmied!“ rief ihn der Wirt an. „Du, suachst du net an Gselln?“
Der Schmied trat heran. „Hast vielleicht oan??“
„I scho. Da hockt er!“
Der Schmied grinste auf den Lorenz herunter. „Moanst den da, Wirt? Ja, Büaberl, bist du scho trocken hinter die Ohrn?“ Seine tiefe Stimme dröhnte, die Bauern schauten alle her und lachten recht.
Da wurden dem Lorenz seine grünen Augen noch grüner, er fuhr sich mit der Hand durch den wirren Blondschopf. Stand langsam auf und zahnte zu den Bauern hinüber: „Enk werd´ i´s zoang!“
Der Schmied grinste noch breiter und brummte: „Ned schlecht!“ Das „Büaberl“ war nämlich schon breit in den Schultern und wohl gewachsen, wenn auch nicht ganz so groß wie er selber. „Mit Verlaub!“ sagte der Schmied und hockte sich zu Lorenz an den Tisch: „Drei Tag auf Prob´ um d´Kost, danach fix. Fünfazwanzg Gulden für´s Jahr. Wia waar´s?“
Der Lorenz hätte gern noch hinauf gehandelt, aber als die Kellnerin, diesmal ganz nah, an ihm vorbei streifte, schlug er schnell ein und nahm das Angeld.
München war - vergessen! 

So oder beinah so und jedes Mal ein bisserl anders erzählten sich der Wirt und der Schmied die Geschichte gegenseitig. Dabei hatte der Lorenz dem Schmied schon seit ein paar Jahren den Dienst aufgesagt. Er hatte am Priel, an der Straße nach Föhring, Land erworben und war ein Bauer geworden. Sein Hof hieß „Beim Schmiedlenz“.
Der Schmied wusste auch noch, dass ein jedes Bogenhauser Dirndl, so es älter war als zwölf Jahre, dem saubernen Gesellen schöne Augen gemacht hatte. Mancher Dorfbursch hätt´ deswegen einen Grant gehabt auf den Lorenz, aber keiner sich an ihn hingetraut. Ein jeder hätt´s nämlich gewusst, dass der Lorenz mit seine Händ´ ein Hufeisen hat biegen können.
Ein Büffel sei er, ein notiger, brummte der Wirt dagegen. Im Wirtshaus hätte er sich gar nicht oft sehen lassen. Und die Dirndl von hier - keine wäre ihm gut genug gewesen.
Da hat der Schmied gegrinst: „Ja, bis auf oane, gell?“ Und notig sei sein Gesell überhaupt nicht gewesen, bloß sparsam. Er hätt´s ja zu was bringen wollen, was er auch getan hätt, und dazu eine Geldige gebraucht. Eine, wo Geld hat, kriegt aber bloß einer, der selber was hat.
Ob´s je zu was gekommen ist seinerzeit zwischen dem Lorenz und der sauberen Kellnerin?
„Naa!“ hat der Wirt zornig behauptet. Die Kellnerin von damals ist nämlich sein Basl gewesen.
Aber der Schmied hat sein „Ja!“ dagegen gesetzt: „Der Baazi, der! Der hat doch alles kriagt, was er wolln hat!“
Besonders darüber dischkrierten sie sich noch jahrelang die Schädel heiß, der Wirt und der Schmied, die zwei alten Streithanseln.


Mein Ziehvater, der Lidl Ägidi, ist auch ein Balg gewesen, aber der hat kein solches Glück gehabt wie ich. Der hat nie erfahren, wer seine Eltern waren, nie Lesen und Schreiben gelernt. In Tölz ist er aufgewachsen, als „Gemoakind“. Schon mit sechs Jahren hütete der Ägidi Geißen, dann die Gänse, später schickten sie ihn als Hirtenbuben auf die Almen hinauf. In seinem zwölften Jahr verdingte ihn die Gemeinde als Knecht. Sie brachten den Buben nicht gleich los, weil er eine schiefe Schulter hatte. Der Herman-Bauer in Sachsenkam, „Hirmo“ genannt, nahm ihn dann doch. Und da gab es mehr Kopfnüss´ wie Essen. In meinem zehnten Jahr, als mich der Schmiedlenz holte, erzählte mir mein Ziehvater beim Abschied, wie es ihm weiter ergangen ist.

Einmal - so fing der Ägidi an - hat mich ein Fremder im Roßstall aufgestöbert, wo ich geflennt und Nasenbluten gehabt hab. Der hat mich gefragt, wo´s fehlt, da hab ich ihm Bescheid gegeben und arg gezittert und gestottert. Hätt´ mich gar nicht so fürchten müssen vor dem großen Mannsbild, das war nämlich der Schmiedlenz! Dein Vater, Dirndl! Aber ich hab´ ja nicht gewusst, dass der Hirmo, mein Dienstherr, einen jüngeren Bruder hat, wo Hufschmied gelernt und nach München gegangen ist. Wie der Schmiedlenz gehört hat, wie es mir ergangen ist, da ist er sich fuchtig durch die Haare gefahren und seine Augen haben grün gefunkelt. Er ist hinüber gegangen in die Kuchl, wo er dann recht geschimpft hat mit seinem Bruder, dem Hirmo. Hab´ nicht alles verstehen können, weil ich mich nicht gleich aus dem Roßstall heraus getraut hab´, ist aber wohl auch um Geld gegangen, um dem Schmiedlenz sein Muttergut. Sie haben sich lange gestritten, sich gegenseitig Deppen geheißen, saudumme, da habe ich mich derweil um dem Fremden sein Gespann gekümmert, den schönen Fuchsen an die Krippe geführt und ihm Haber aufgeschüttet. Endlich ist der Schmiedlenz wieder herausgekommen, da hat er bloß „Komm, Bua!“ gesagt und mich nach München mitgenommen. Vergelt´s ihm Gott!

Dem Schmiedlenz sein Hof, den er vor einer Weile mir zur Pacht gegeben hat, war damals noch eine Holzhütten. Aber es ist Land dabei gewesen, gutes Land. Mein neuer Dienstherr hat auf das neumodische Zeug gesetzt, was „Erd-Äpfel“ heißt. War eine harte, aber gute Zeit, wie wir das Ödland bearbeitet haben. Und mit den Erd-Äpfeln, da haben wir Glück gehabt. War eine gute Ernt´, haben sie für ein schönes Geld auf der Schranne zu München losschlagen können. Damals hat ja noch der Franzos - na, dieser Napolium - einen Krieg am anderen gemacht, viel Hunger hat´s gegeben und Not. Die armen Leut´ in der Stadt, die haben sich gerissen um die braunen Knolln, die satt machen - hast sie doch auch immer gern gegessen mit Butter und Salz, Dirndl, gell?
Danach hat der Schmiedlenz wieder Land kaufen können und da war Lehm drunter, eine Schicht so tief, wie ein Haus hoch ist. Und da hat er das Ziegeln angefangt - hat ihn jetzt auch in Pacht gegeben, den Ziegelstadel am Priel. Und gleich vom ersten Brand den Hof „Beim Schmiedlenz“ gebaut. Aus richtige Backstoana, mit einem Ziegeldach!

Walli, horch! Die Leut werden dir erzählen, der Schmiedlenz hätt´s mit dem Teufel oder er ist mit einer Glückshaut geboren, hör nicht drauf! Sind alles Neidhammel oder Abergläubische. Glück hat er gehabt, ja, aber damit allein ist´s auch nicht getan. Fleißig ist er halt gewesen und tüchtig und ist´s heute noch. Hart ist er und grob, das sagen sie auch. Dirndl, jetzt sag ich dir was: Ein Leben lang hab´ ich mit ihm geschuftet, viel verlangt hat er von seine Leut´, das ist wahr. Aber von sich selber am meisten. Er hat - meiner Seel! - nie eins von seinen Kindern geschlagen, auch sein Weib nicht. Dabei war die Katharina Mauerstetterin ein rechtes Hauskreuz!
Der Schmiedlenz hat sie sich nicht selber aussuchen können, ist halt auch ums Geld gegangen. Niemals hat der Schmiedlenz einen Bettler fortgejagt, nie den Hund getreten oder auch nur einen Ochsen geprügelt. Hat auch für dich immer gut gesorgt! Jetzt braucht er dich, und er mag dich, aber zeigen kann er´s nicht. Geh mit Gott, Walli, und bleib´ brav.
Darfst immer dran denken, dass d´ auch bei mir willkommen bist, wenn´s es braucht ….
Mein Ziehvater hatte nasse Augen, als er ins Weichbrunnkrügl langte und mir ein Kreuz auf die Stirn machte. „Vergelt´s Gott für alles, wad´tan hast für mi´!“ brachte ich gerade noch heraus, bevor es mich arg im Hals würgte. Da ging ich schnell hinaus. Draußen wartete schon der Lenz mit der Schäsn auf mich, mein ältester Halbbruder. Er brachte mich auf die Ramersdorfer Lüften hinüber, wo der Schmiedlenz einen großen Ziegelstadel betrieb. War auch ein Hof dabei mit Acker und Wiesen.

Beim Schmiedlenz hab ich mich um die kleineren Kinder gekümmert, bin auch der Zenz, seiner zweiten Frau, im Hauswesen an die Hand gegangen. Wär eigentlich der Mariann ihre Sach´ gewesen, aber meine ältere Halbschwester ist lieber auf den Feldern herumgestromert und hat Geschichten erfunden. Ich bin aber froh darüber gewesen, weil ich die Mariann nicht mögen hab´.
Dem Schmiedlenz seine erste Frau, die Katharina, kenne ich bloß vom Hörensagen. Von ihren acht Kindern sind fünf übrig geblieben. Die Mariann muss ihrer Mutter auf´s Haar geglichen haben, die hat nämlich auch überall Ecken gehabt und ein giftiges Maulwerk dazu. Ihrer Stiefmutter, der Zenz, hat sie das Leben schwer gemacht und immer arg auf ihren Vater geschimpft. Hab´ sie deswegen oft an ihren dünnen Zöpfen beuteln müssen!
Wir waren gerade beim Holzaufschichten, da hat sie wieder angefangt: „I mag net heiraten!“ und wieder einmal war ich so dumm und bin darauf eingegangen. Was sie denn sonst im Sinn hätt´, hab ich gefragt, ein jedes Dirndl heiratet und sie, die Mariann, hätt´ doch einmal ein anständiges Heiratsgut.
„Soll´s mir vielleicht gehen wie der Mutter? D´Mutta, was hat die dafür können, dass s´zaundürr war und gschiaglt hat, ha? Hätt´s ja net heiraten brauchen, der Vatter! Von der Mutter ihrem Geld hat er den Ziegelstadel da gekauft, sonst tät er heut´ noch in der Bogenhausner Lett`n seine greislichen Erdäpfel bauen!“ „Du bist greislich, Mariann!“ Schön langsam bin ich fuchtig geworden und die Mariann hat weiter gemacht: „Wenn er überhaupts geredet hat mit ihr, hat er sie angeplärrt! Und ihr trotzdem ein Kind am anderen gemacht. An der Monika, da hat sie dann sterben müssen ……“
In der Mariann ihre Augen hat das Wasser geleint, ich habe ihr den Arm um die Schultern gelegt, sie trösten wollen - aber da sind ihre grünen Schielaugen noch grüner geworden, wie bei einer Katz´. „Balg, rothaarata!“ hat sie gefaucht, „nur da Himmvatta woaß, wie viel´ er solche wie dich noch g´macht hat!“

Diesmal hab ich ihr ein Scheitl ins Kreuz geworfen, die Mariann hat geplärrt und die Zenz aus der Kuchl heraus geschrien, wir sollen uns, um Gotteswilln, vertragen. „Zigeinerin!“ hat die Mariann hinter ihrer Stiefmutter hergezischt, da hab ich gesagt, si soll schauen, dass sie weiter kommt. Die Mariann hat auch behauptet, beim Absterben ihrer Mutter hätt der Schmiedlenz gesagt: „Weibersterbn is koa Verderbn, aber Rossvarrecka a Mannerschrecka“.
Das glaub ich ihr nicht. Der Schmiedlenz, der war kein so Redseliger. Und der saugrobe Spruch ist schon alt, der Schmiedlenz hat ihn nicht erfunden. War auch gar keine Zeit zum Sprücherfinden. Die Arbeit hat gedrängt, der Hof eine Wirtschafterin gebraucht, die Kinderwar´ und er selbst waren schlecht versorgt, geschwind hat da eine Hochzeiterin her müssen.

Ein reicher Wittiber wie der Schmiedlenz kann eine jede Frau heiraten, auch eine arme. Und die Zenz war arm. Es lag schon etliche Jahre zurück, dass der Schmiedlenz auf dem Rossmarkt zu München die Kreszenzia Brandnerin zum ersten Mal gesehen und das lustige kleine Gangkerl mit seinen kohlschwarzen Augerl nie mehr vergessen hat.
Das Dirndl ist die älteste Tochter eines vagierenden Veterinärs aus dem Welschtirol gewesen. Der Brandnervater besaß im Dorf Garmisch ein Häusl, wo er mit seiner Familie überwinterte. Von Josefi bis zum Kreuzerhöhungstag aber zogen sie in einem kleinen grünen Wagen und zwei braunen Rössern herum. Kreuz und quer durch Tirolische und das Baiernland, von Viehmarkt zu Viehmarkt, von einem Dorf ins nächste. Frau und Töchter sind dann in die Höfe gelaufen und haben gerufen:  „Habt´s a kranks Viech? Da Veterinär waar da!“
Seit im Baiernland „aufgeklärt“ wurde, behandelte der Brandner Ross und Rindvieh ohne seine alten Zaubersprüche, die Tiere wurden gesund oder verreckten, wie früher auch. Der Schmiedlenz suchte und fand seine zweite Hochzeiterin in München, diesmal auf dem Rindermarkt, und er freite an Ort und Stelle um sie. Die Zenz - noch keine neunzehn Jahre alt! - wusste die überhaupt, was ihr da geschah? Sie war zu scheu, um den Blick zu heben, in das grüne, kühle Augenpaar hinein, in das sonnenverbrannte Gesicht mit dem kantigen Kinn, dem schmalen Mund, der wohl gerade lächelte. Genau in Augenhöhe des armen Dirndls blinkten und blitzten nämlich die vielen Silbertaler am Sonntagsjanker des stattlichen Freiers ……
Das künftige Brautpaar übersah zwei andere dunkle Augen, die den Freier keck musterten, sich jäh mit Zornestränen füllten und verschwanden. Die Augen gehörten der Anni, der Zenz ihrer kleinen Schwester, einem apfelbäckigem Kind von dreizehn Jahren, das jetzt davonlief und wohl dickschädelig dachte: „Wart´s nur! Wart´s nur!“
Hochwürden der Herr Pfarrer tat das Paar in der Kirche Maria Ramersdorf ohne weiteres zusammen. Denn die „schwarze Zenz“ war keine Heidin und keine Zigeunerin, wie die Mariann - und nicht nur die! - in ihrem Hass behauptete, sondern ehelich geboren zu Bayersoien und katholisch getauft. So stand es in ihren Papieren.

Sie tat sich schwer, die kleine Zenz. Wo hätte sie, die Tochter des Fahrenden, die harte Bauernarbeit lernen sollen? Hatte sie Zeitlang nach Eltern und Schwester, nach dem freien Leben in der weiten Welt? Darüber redete sie nie, sie bemühte sich bloß. Aber es geriet ihr nicht so recht. Und da waren auch noch der Katharina ihre fünf Kinder! Der Lenz, der Älteste, der war ihr schon eine Hilfe. Der drosch der Mariann ein paar Mal derb auf´s Maul, wenn sie ihrer Stiefmutter vor die Füsse spuckte. Der Schorsch, der Sepp und die Moni, die waren aber noch recht klein. Doch die versorgte jetzt ich.
Dann bekam die Zenz ihr erstes Kind, sie lag tagelang in Wehen. Die Hedwig Mesnerin, Wehmutter und meine spätere Lehrmeisterin, nannte es ein Gotteswunder, dass Mutter und Kind überlebten. Beim Johann Baptist tat sich die Zenz genauso schwer. War ein kleinwinziges Bübel, dem die Mesnerin die Nottaufe gab und dann ein Wörtl mit dem Schmiedlenz redete. Genutzt hat das nichts. Aus dem Johann Baptist ist dann doch was geworden. War aber der Anni zu verdanken.

Am Abend des Allerseelentages stand die Anni auf einmal in der Kuchl herin, tropfnass vom Schneeregen, auf und auf mit Dreck bespritzt vom langen Weg. „Grüaß Good beinand!“ sagte sie und: „So, da waar i!“ Den Ehalten, uns Kindern und auch dem Schmiedlenz verschlug´s zuerst einmal die Sprache. Alle hielten wir die Fremde, so wie sie ausschaute, für ein besonders ausg´schamtes Bettelweib. Da kroch der Hofhund, der Luxl, der bei dem Sauwetter in der Kuchl sein durfte, unter der Ofenbank hervor. Der Luxl winselte, wedelte mit dem Schwanz und leckte der Fremden die Hände. „Anni?“ fragte da der Schmiedlenz. „Jessas na, d´Ánni! Ja-ja, Grüaß di´ Good aa!“
Dem Schmiedlenz kam die Schwagerin nicht ungelegen. Die Zenz lag nämlich noch im Wochenbett, es stand nicht gut um sie. Und der Schmiedlenz - sogar durch die schmutzigen Kleider konnte er sehen, dass aus dem Kind von einst eine schöne, kräftige Dirn geworden war. „Hast´s Dableibn im Sinn?“ frage er und die Anni sagte: „I scho! Da Vatta is in die Berg drin dafrorn und d´Muatta aa g´storbn!“ „Oha!“ machte der Schmiedlenz. Dann sagte er: „Sollt´ mir scho´ recht sein, wanns d´dableibst!“
Die Zenz wurde gar nicht lange gefragt.

Nach Heiligdreikönig kamen die Mariann und ich zu den Clarissen auf die Schule. Die Mariann, weil der Schmiedlenz diese Bissgurkn nimmer im Haus litt, ich, weil ich ein Hirn hätt, wie er sagte. Als ich wieder heimkehrte, waren meine zwei ältesten Halbbrüder nimmer da. Den Lenz hat der Vater ausbezahlt, da konnte er in München in einen Gasthof einheiraten. Der Schorsch arbeitete drüben im Bogenhauser Ziegelstadel und hat ihn auch später übernommen. Die Mariann war als Novizin bei den Clarissen geblieben. Es hat daheim keiner mehr von ihr geredet. Die Zenz hatte wieder ein Kind gekriegt, schaute aus wie ein Geist, und im Haus schaffte die Anni an.

Die Anni, die hatte sich schnell in ihr neues Leben hinein gefunden. Versorgte die Kinder, die von der Katharina und die von der Zenz, als ob´s ihre eigenen wären. Schaute auch den Ehalten auf die Finger, kochte für die Ziegelpatscher, die alle aus dem Welschland stammten und deren Sprache sie verstand. Dem Schmiedlenz hing sie das Maul an, wenn er ihr grob kommen wollte, was ihm gefiel. Zugegeben hat er das freilich nicht. War überhaupt zu spüren, dass ihm seine Schwagerin gut gefiel!
Ich zog bald nach Bogenhausen hinüber, zur Hedwig Mesnerin, der Hebamme, die mich im Folgenden in ihre Kunst einführte. Hab´ viel lernen müssen und lang nichts mehr gehört von meine Leut´ auf der Ramersdorfer Lüften.

Bis uns einmal, zur nachtschlafenden Zeit, mein Halbbruder Sepp mit der Schäsn holte. Er zerrte kräftig am Glockenzug und schrie schon auf der Strasse: „Mesnerin! Walli! Gschwind! Kinda kriang ma!“
Ich bemühte mich, den Buben schleunig einzulassen, der weckte ja das ganze Dorf auf. Aber es war schon zu spät. Weil die Mesnerin erschrocken zum Fenster hinaus kreischte: „Was sagst´? Kinder? Die Zenz - Zwilling! Oh Himmimuatta!“ und der Sepp zurückplärrte: „Von Zwilling woaß i nix, aber d´Zenz und d´Anni, alle zwoa kriang´s a Kind!“
Da verschlug es sogar der Mesnerin die Red´, erst auf der Fahrt sagte sie: „Sauber!“ - und dann noch einmal „Sauber!“ Danach war sie still.
Die Anni lag in der Stuben, die Zenz in der Schlafkammer und sie schrien abwechselnd. „ Zoag, was d´ g´lernt hast, Walli!“ befahl die Mesnerin und schob mich in die Stuben hinein. Auf der Stiege plärrte sie: „Auf d´Seitn mit dir, Gmoastier, der d´bist!“ Damit meinte sie wohl den Schmiedlenz, der ihr im Weg stand.
Die Anni machte es mir leicht. Sie schrie noch einmal, dann schrie auch schon ihr Balg, ein schönes schwarzhaariges Dirndl. Ich brauchte es bloß noch abzunabeln, zu baden und zu windeln. Die Anni lächelte, als ich ihr das Kindl an die Brust legte. Die ganze Zeit aber durchgellte der Zenz ihr Schreien und Wimmern das Haus, da beteten die Anni und ich für sie ein Ave Maria. „…… Du bist gebenedeit unter den Weibern ….. „ sagten wir, als die Mesnerin „Walli!“ schrie. „Walli, was duast´ denn so lang, du Lalln?“
An der Tür gab sie mir ein Bündel: „“Da! Glei´ nottaufen! Und schau, waas d´no machen kannst!“ Der Zenz ihr Dirndl war ein bläuliches, verhuzeltes Dockerl, was sich nicht rührte noch regte. Ich langte ins Weichbrunnkrügl neben der Tür, spritzte ein paar Tropfen über das Kopferl, das ausschaute wie ein Apfel auf Sebastiani, und sagte den Taufspruch. Packte dann das Dingerl bei den Füßlein, ließ es kopfunter hängen und klopfte ihm auf das winzige Hinterteil, säuberte ihm auch den Mund von Blut und Schleim. Da tat das Würmlein endlich seinen ersten, dünnen Schrei und ich konnte es baden.
„Gib´s her!“ verlangte die Anni, „ja, gib mir´s!“ Da legte ich der Anni ihr Schwesterkind an die andere Brust. Die Wöchnerin lächelte noch einmal, sagte: „Des wird scho´ !“ und schlief ein.
Ich schlich in die Kuchl hinüber, wo die Magd einen Kaffee gekocht hatte, hockte mich neben den Schmiedlenz auf die Ofenbank und sagte zu ihm: „Du, zwoa Dirndln hast!“ Der Schmiedlenz nickte nur. Wir tranken die bittere Brüh und warteten auf die Mesnerin, die sich noch eine Weil´ um die Zenz kümmern musste. „Schmiedlenz! Alles was Recht ist!“ schimpfte sie, als sie herein kam. „´s nächste Mal, da kann koana mehr helfa, ned amoi d´Heilige Jungfrau selber!“ Der Schmiedlenz gab keine Antwort. Die Magd schob der Mesnerin ein Haferl Kaffee hin. Wir hockten lang beinander und keiner redete. Als es Tag zu werden begann, stand die Mesnerin auf und weckte den Sepp, der seinen Kopf auf die Tischplatte gelegt hatte und eingeschlafen war.
„Fahr mi hoam, Bua! Dir, Schmiedlenz, lass i´ d´Walli glei da! Wirst as eh bald wieda braucha, wannst´ so weiter machst. Schamst di´ du gar ned, ha?“ Da stand der Schmiedlenz auf, fuhr sich fuchtig durch den blonden Haarschopf und seine Augen wurden noch grüner. Aber dann brummte er bloß: „Hoit dei´ Mai´, Mesnerin, dees geht di´ nix o. Und du, Walli, bleibst da!“ Er gab der Mesnerin zwei Goldstückl für ihre Dienste, da schimpfte sie gar nimmer und sagte: „Vagelt´s Good!“ Ich brauchte aber bloß zwei Tage zu bleiben. Danach stand die Anni schon wieder auf und nahm die Zügel in die Hand.

Als die Mesnerin aufhörte und zu ihrer Tochter nach Haidhausen zog, wurde ich ihre alleinige Nachfolgerin. Hab´ mit Gotts´s Hilf´ vielen Kindern ins Leben geholfen und allen meinen jüngsten Halbgeschwistern. Hab´ viel Freude erlebt, aber - meiner Seel! ! - auch viel Kummer. Ganz hart hat es mich getroffen, wie die Zenz bei der Geburt eines toten Kindes wie ein Pfenniglichtl verloschen ist. Hab` ihr nimmer helfen können! Glaub´ aber, dass sie selber nimmer wollen hat und war wohl auch Gott´s Will´.
Diesmal brauchte der Schmiedlenz nicht lang zu suchen, die nächste Hochzeiterin hatte er ja schon im Haus. Die Anni wurde das, was sie im Geheimen schon lange war: Ziegelmeisters- und Ökonomiebesitzersgattin, wie das auf Neumodisch im Königreich Bayern heißt. Die Anni wirtschaftete weiterhin gut und schlau und gebar noch vier Buben und drei Dirndln. Von den Buben blieb aber bloß der Ludwigl am Leben, die drei anderen hat die Halsbräune genommen. Der „Fluch der schwarzen Zenz“, wie die Leut´ munkelten. Die Dirndln heirateten später Gastwirte oder Ziegelmeister, der Ludwigl aber blieb seiner Lebtag ein Lediger und beim Vater im Ziegelstadel.
Die Anni durfte es noch erleben, wie nach Wunsch und Willen seiner Majestät des Königs Maximilian erst die Ramersdorfer Lüften und dann das Dorf selber zu München kamen. „Hab i´s do´ no´ derwarten können!“ freute sich der Schmiedlenz, der sein Leben lang jeden Tag eine Weil über die Ebene zu den Türmen der Münchner Stadt hinüber geschaut hatte. Wäre er doch lieber ein Städter geworden? Es war nicht seine Art, darüber zu reden.

Ein Jahr später erlag die Anni dem Schlagfuss. Sie starb nicht leicht. Drei Tag, drei Nächt´ plagte sie sich, der Schmiedlenz aß nicht und trank nicht, war nicht weg zu bringen von ihrem Sterbelager, und dann war sein graublonder Kopf schneeweiß. Zum Begräbnis kamen alle seine Kinder, soweit sie selber noch am Leben waren. Nach dem Totenmahl beim „Alten Wirt“, wo der Sepp eingeheiratet hatte, wuzelten haufenweis´ grün- und schwarzäugige Enkel und Urenkel im Haus herum. Und der Schmiedlenz hatte seine Freude an dem jungen Leben, bloß musste er immer wieder fragen: „Wia hoaßt´n du? Und von wem bist´?“
In der Nacht danach fand ich ihn allein in der dunklen Kuchl. „Walli!“ sagte er leise, als ich herein kam. „Dirndl, hock di´ a bisserl her zu mir!“ Ich glaube, dass er weinte, da weinte ich auch. Nach einer Weil´ fasste er meine Hand: „Dirndl, bleib bei mir!“
„Ja, Vatterl!“ versprach ich - es war das erste und einzige Mal, dass ich den Schmiedlenz so nannte.
Ich zog also wieder auf die Ramersdorfer Lüften, übte von da aus meinen Beruf aus, kümmerte mich auch um den frauenlosen Haushalt, denn der Schmiedlenz schaute um keine Hochzeiterin mehr. Obwohl so manche stramme Wittib hinter ihm her war, obwohl er die Anni um fünfzehn Jahre überlebte.

Das End kam im Winter, als der Schmiedlenz auf dem vereisten Hof einen schweren Sturz tat. Zwei Tage vor Sebastiani starb er daran, in seinem zweiundneunzigsten Jahre, versehen mit den Heiligen Sterbesakramenten. Sein letzter Gruß war ein schiefes Grinsen und die Worte: „Dene hab i´s zoagt, gell?“ Zwei Jahre vorher, zu seinem neunzigsten Geburtstag haben sie ihn noch zum Ehrenbürger der königlich-bayerischen Haupt- und Residenzstadt gemacht. Dazu hatte er bloß gebrummt: „Lang gnua haben si´ dee ja Zeit lassen!“ 

Das war die Geschicht´ vom Schmiedlenz - Gott hab ihn selig! - und seinem lebenslangen Weg nach München. Natürlich hat´s auch bei ihm Krankheit gegeben, Hagelschlag und Misswuchs, alles das hat ihn wenig berührt. Weiber- und Kindersterben, das ist sein Kreuz gewesen, nicht aber Hungersnot, ferne Kriege, die Schwarzen Blattern oder die Cholera, die seinerzeit in Haidhausen arg gewütet hat.


Es ist kalt geworden, das Herdfeuer erloschen. Die Petroleumlampe blackt und stinkt. Der Gockerl hat schon zweimal den neuen Tag angekündigt. Meine gichtigen Finger tun weh, vielleicht kann ich trotzdem noch ein bisschen Schlaf finden.
 
München-Ramersdorf, anno achtzehnhundertachtzig, am Tag der Heiligen Barbara.

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Anmerkungen
zu den Personen der „Schmiedlenz-Story“
(„Der Lange Weg“ von Walburga Lidl)


I.   Walburga Lidl
Walburga Lidl, Autorin der „Schmiedlenz-Story“, Hebamme in München. Lebensdaten nach ihren eigenen Angaben in der „Schmiedlenz-Story“:
       
Geboren wurde sie an St. Georgi (= 23.3. 1814) und war Hebamme in München-Bogenhausen u. Ramersdorf (ca. zwischen 1830 u. 1860). Sie ist die ausser-eheliche Tochter des Lorenz Seidl und der Cäcilie NN.  Ägidius Lidl, Oberknecht bei Lorenz Seidl, später Gütler in Bogenhausen, übernahm die Vaterschaft und heiratete Cäcilie NN. Gestorben ist sie nach 1880 wahrscheinlich in Ramersdorf (München).

Weder ihre Geburt noch ihr Tod konnten in den Matrikeln (Ramersdorf, Haidhausen und Bogenhausen) bisher gefunden werden. Ihr Name ist auch bei den Hebammen, die in den Taufmatrikeln Bogenhausen und Haidhausen in dieser Zeit genannt werden, nicht verzeichnet. Eine „Walburga“ Gebhardt ist als Hebamme von Haidhausen oft genannt. Es liess sich aber keine Heirat einer Walburga Liedl mit einem Mann namens Gebhardt finden. Auffällig ist ausserdem, dass entgegen den Angaben in der „Schmiedlenz-Story“ bei den Geburten der Kinder von Lorenz Seidl und Anna Brandner in den Taufmatrikeln nicht Walburga Liedl, sondern eine Hebamme Hackl A.M. bzw. Bauer genannt werden.

Es könnte daher sein  (muss es aber nicht), dass Walburga Lidl eine von Marianne Seidl (siehe unten II) erfundene Figur ist und auch die „Schmiedlenz-Story“ aus ihrer Feder stammt. Die Verfasserin dieses eindrucksvoll geschriebenen Werks hatte auf jeden Fall Kenntnis von vielen Internas der Familie des Lorenz Seidl. Einige Punkte, die nicht mit den in den Kirchenmatrikeln dokumentierten Daten übereinstimmen (unten unter IV 9.), dürften auf schriftstellerischer Freiheit und gestalterischer Originalität beruhen.


II.   Marianne Seidl
Zitat:
Das Manuskript der Walburga Lidlin wurde aufgefunden, die zittrige, verblasste Sütterlinschrift entziffert, die Geschichte überarbeitet, gestrafft, in den wesentlichen Punkten jedoch original belassen
von
(gez.) Marianne Seidl, Ur-urenkelin des Lorenz Seidl


Marianne Seidl, *  ca 1928, + nach 2008 München (?); sie übertrug, so ihr obiges Zitat, das handgeschriebene Manuskript der „Schmiedlenz-Story“ in Ma-schinenschrift.
Sie war Ur-ur-Enkelin von Lorenz Seidl und seiner zweiten Frau, Kreszentia Brandner. Deren Sohn Johann Baptist (* 27.10.1827, + 12.8.1885), Wirt in München, hatte die älteste Tochter des Bogenhauser Wirts Anton Grünwald, Katharina Grünwald (* 1.5.1815 Bogenhausen), geheiratet. Dessen Nac-kommin dürfte Marianne Seidl gewesen sein.
Marianne Seidl soll ein „Münchner Original“ gewesen sein, müsste im Jahre 2006 ein Alter von 80 oder mehr gehabt haben, wohnte in der Buschingstrasse  in der Parkstadt Bogenhausen und berichtete auf den von ihr geführten Stadtrundgängen oder auf Vortragsabenden aus der Schmiedlenz-Story“.


III.   Willibald Karl
Herrn Willibald Karl hat keine verwandtschaftlichen Beziehungen zu Lorenz Seidl, sondern schrieb das Buch „Lehm – Ziegel – Stadt“, München 2008 (Volk-Verlag). Hierbei bekam er die „Schmiedlenz-Story“ von Marianne Seidl in die Hand,  die er vom maschinenschriftlichen Text abschrieb und ein einziges gebundenes Exemplar für seine Tochter Annabell, die in München als Hebamme arbeitete, erstellte.

Zitat: 

Nachwort:  
Manchmal gibt es überraschende Funde. Obwohl sie vordergründig mit dir und mir nicht wirklich etwas zu tun haben scheinen, berühren sie Dich und mich doch sonderbar. Und bei näherem Zusehen oder - wie bei diesem Text - mehrmaligem Lesen tauchen aus Deinem und meinem Bewußtsein Gedanken auf und Bilder, die sich mit der Zeit zu einem Beziehungsgeflecht zu diesem Fund verdichten.
So ist es mir mit diesem Text gegangen, den mir schon vor einigen Jahren Marianne Seidl, eine Bekannte aus dem Bogenhauser Geschichtsarbeitskreis hat zukommen lassen. Sie ist auch Mitglied des Literaturkreises „Arche Nova“ im München, selbst schriftstellerisch tätig und mittlerweile über 80 Jahre alt. Sie wohnt in der Buschingstraße in der Parkstadt Bogenhausen.
Es ist ein (auto-)biographischer Text aus der Feder der Walburga Lidlin in der Fassung von Marianne Seidl, die damit ihre Herkunftsfamilie darstellt.

Was kann oder soll Dir, liebe Annabell, dieses Büchlein sagen?
Erstmal: Es ist ein Unikat, extra und allein für dich abgeschrieben, gefasst und gebunden.
Zweitens: Es ist der Text einer Hebamme aus dem Münchner Osten, der verschiedene Ereignisse und Erfahrungen ihres Lebens und Berufs auf-zeichnet. Sie war außerehelich geboren und „Kind der Liebe“ ihres leiblichen Vaters wie ihres Ziehvaters, der sie „ehrlich“ gemacht hatte.
Drittens: ich selbst bin eine „Hausgeburt“ und die Hebamme, Frau Jerabek, spielte in unserer Familie eine wichtige Rolle.
Viertens: Noch zu bemerken, dass auch Deine Großmutter mütterlicherseits mit Vornamen Walburga hieß, „Wal“ oder „Walb“, wie Dein Opa, der - nebenbei - auch „unehelich“ geboren war, sie zärtlich nannte.

So kann dieses Büchl Dir Anregung sein, auf einem eigenen „Langen Weg“ - Berufs- und Lebensweg der Hebamme Annabell „Karlin“ -  Aufzeichnungen zu machen, Tagebuch zu schreiben oder Briefe und in der oder jenen Form Gedanken, Erlebnisse und Erfahrungen zu formulieren, fest zu halten, zu „verdichten“.
Auf Deinem „Langen Weg“ wünscht Dir alles erdenklich Gute.

Dein Vater


IV.   Gerhard Selmayr
Der Schmiedlenz (Lorenz Seidl) ist der dreifache Urgrossvater von Gerhard Selmayr  - und zwar über seine ausser- und voreheliche Tochter Anna Maria Blüm, die mit Josef Selmayr, Hanslmarter in Bogenhausen, verheiratet war und deren Geburt in der „Schmiedlenz-Story“   geschildert wird.

Gerhard Selmayr (* 1935) ist promovierter Jurist, war ab 1973 Kanzler der Universität der Bundeswehr in Neubiberg (München) und von 1978 bis 2000 Kanzler der Technischen Universität Karlsruhe. Auf die Schmiedlenzstory stiess er 2020 im Rahmen seiner Vorfahrenforschung.

Zu den Personen der „Schmiedlenz-Story“
1.   Lorenz Seidl (= „Schmiedlenz“), * 29.4.1788 Sachsenkam, + 18.1.1880 Ramersdorf (München), gelernter Schmied, Ökonomie- und Ziegeleibesitzer (Heiliggeist-Ziegelstadel) in Ramersdorf (Ramersdorfer Lüften 18), angebl. 1878 Ehrenbürger der Stadt München (Stadtarchiv München kann die Ehrenbürgerschaft nicht bestätigen)
oo I. /  I. 31.7.1809 Bogenhausen.mit Catharina Mauerstetter, geb. in Zorneding (17.9.1785 - 30.10.1822); Eltern: Balthasar Mauerstetter (viv) und Ursula Strasser p.m., Bauer in Wolfersberg bei Schwaben.
oo II. / I. 23.2.1824 mit Kreszentia Brandner aus Garmisch (7.4.1805 - 9.11.1831). Beim Taufeintrag für Kreszentia in Garmisch ist vermerkt: „Sub 19. Febr. 1824 das Taufzeugnis zur Verehelichung mit Ziegelmeister Lorenz Seidl bey München gefertigt“
oo III./ I. 21.3.1833 Haidhausen (München) mit Anna Brandner, * 14.12.1807 Garmisch, + 5.11.1865 Ramersdorf (München)

2.   Eltern von Lorenz Seidl:   
Joseph Seidl, * 14.12.1742 Sachsenkam/Obby., + 10.8.1799 Sachsenkam/Obby.  Hirmabauer („zum Hörmann“) in Sachsenkam (1/2 Hof, grundbar Kloster Weyarn)
oo 31.8.1768 Sachsenkam mit
Anna Arnoldsbichler vulgo Brunner, * 4.3.1744 Sachsenkam, + nach 1802, vor 1809  (in Matr. Sachsenkam nicht verzeichnet)

3.   Anna Brandner:
* 14.12.1807 Garmisch, + 5.11.1865 Ramersdorf (München); dritte Frau von Lorenz Seidl (oo 21.3.1833 Haidhausen); Ihre Tochter mit Lorenz Seidl ist Anna Maria (die den Familiennamen Blüm trug, da sie ausser- und vorehelich geboren wurde und Bauer Martin Blüm die Vaterschaft übernommen hatte), * 2.2.1830 Ramersdorfer Lüften (München), + 5.4.1896 Bogenhausen.

4.   Eltern von Anna (und Kreszentia) Brandner:
Hieronymus Brandner, * 28.3.1766 Mittenwald, + vor 1831 (in Matrikel Garmisch u. Baiersoien nicht verzeichnet.)
Bauer in Garmisch Nr. 9, genannt "Nöhrer"; Gütler. Ab 1808 “Ansied-ler“ in Bayersoien (Schongau, Kirmesau / Kirmansau 94), „Veterinär, der im Herumziehen krankes Vieh behandelte“.
oo 2.11.1798 Mittenwald mit
Agnes Pischl, * 10.8.1769 Garmisch, 17.12.1850 Bayersoien

5.   Anna Maria Blüm (Seidl):
-  *  2.2.1830 Ramersdorf. Taufpaten: Thaddäus Brandner, „Ziegelmeister bei Schösser unweit Haidhausen“; Hebamme: Häckl A.M. Lt. Taufmatrikel ist das
       Kind: „illegitim, Vater:  ---- ; Mutter: Anna Brandner, Gütlerstochter von Baiersoien, d.z. in Diensten bei Lorenz Seidl, Ziegelmeister in Ramersdorf“.
-    Sie ist Tochter des Schmiedlenz und seiner dritten Frau Anna Brandner. Der Geburtseintrag lautet auf Anna Maria Blüm, als Vater ist Martin Blüm, Bauer,
     angegeben, der die Vaterschaft übernahm, da Anna Maria ein ausser- (und vor)eheliches Kind war (vor der Ehe des Schmiedlenz mit Kreszentia Brandner
     und vor dessen Heirat mit Anna Brandner geboren).
-   Anna Maria Blüml heiratete am 7.8.1849 Joseph Selmayr, Hanslmarterbauer in Bogenhausen. Trauzeugen waren: Johann Seelmayr, Brandweiner in München
    (Bruder des Bräutigams), und Lorenz Seidl, Ziegelmeister in Ramersdorf (Vater der Braut, der Traueintrag nennt jedoch als Eltern der Braut: „Martin Blüm und
     Anna Brandner, ledig“) .
-   Der Bräutigam, Joseph Selmayr, hatte den Hanslmarterhof in Bogenhausen von seinen Eltern am 4. Juni 1849 übernommen. Der Wert des Hofes wurde bei
    der Übergabe mit 23 210 Gulden angesetzt, wovon der Übernehmer 20 210 Gulden an seine Eltern und Geschwister auszuzahlen hatte. Die Braut Anna Maria
    Blüm brachte 3000 Gulden in die Ehe ein (BriefProtokolle Bogenhausen 1336/169).

6.   Wirt von Bogenhausen:
Im Jahr 1804, als der junge Lorenz Seidl als Schmiedgeselle nach Bogenhausen kann, war Wirt in Bogenhausen Anton Grünwald (* 1750, + 1.1.1813); Anton Grünwald hatte die Wirtschaft in Bogenhausen (“Bierzäpfler“) um 1795 "auf der Gant" gekauft, d.h. der Vorbesitzer war bankrott und die Wirtschaft wurde versteigert. Vorher war Anton Grünwald Wäscher, evtl, auch Kramer und Wirt in der Au (München).

7.   Kinder des Schmiedlenz:
Von den Kindern des Lorenz Seidl aus seinen drei Ehen wurden (bisher) u.a. folgende ermittelt, in der Regel die, die das heiratsfähige Alter erreichten::

I. Ehe  31.7.1809 Bogenhausen mit Katharina Mauerstetter aus Wolfersberg/Markt Schwaben (7.9.1785 - 30.10.1822). Trauzeugen: Georg Arnoldsbichler,
   lactearius (? evtl. laterarius = Ziegelbrenner) von Saustadel (?), u. Ulrich Prielmayr. aedituus (= Messner) von  Baumkirchen:
- Lorenz Seidl, * 14.9.1812 Ramersdorf, + 20.6.1895, oo mit Katharina Grünwald (Tochter des Anton Grünwald, Wirt in Bogenhausen), Lorenz Seidl wird Wirt in
   München.
- Maria Anna Seidl, * 8.5.1817 Ramersdorf, + 3.9.1884, oo mit NN Jägerhuber
- Joseph Seidl, * 8.12.1819 Ramersdorf, + 3.9.1876. Gastwirt “Zum Alten Wirt” in (München oder Ramersdorf)
- Georg Seidl, * 23.3.1821 Ramersdorf, + 5.11.1896; oo mit Anna Selmayr (Tochter von Joseph Selmayr, Hanslmarterbauer in Bogenhausen). Georg wird
   Sandgruben- und Ziegeleibesitzer in Bogenhausen am Priel
- Monika Seidl Ramersdorf, * 24.5.1822, + 13.2.1846, oo mit NN Urban

II. Ehe am 23.2.1824 in Johann Baptist/Haidhausen (München) mit Kreszentia Brandner aus Garmisch (7.4.1805 - 9.11.1831); Trauzeugen: Paul Mosbichler, Gärtner in Haidhausen, u. Franz Paul Battenberger, Bierwirt in München. Kinder aus dieser Ehe:
-  Rosina Seidl, * 20.11.1824 Ramersdorf, + 18.4.1870, oo mit NN Aichinger;
-  Johann Baptist Seidl, * 27.10.1827 Ramersdorf, + 12.8.1885 (Sohn: Johann Seidl, oo mit Maria Grünwald)
-  Creszentia Seidl, * 25.3.1829 Ramersdorf, + 23.3.1860; oo 1851 / 52 mit NN Metz; (Patin bei den beiden Söhnen von Joseph Selmayr, Hanslmarter in
    Bogenhausen).
-   Karolina Seidl, * 29.7.1830 Ramersdorf (Patin: Rosina Ludwig, Ziegelmeistergattin bei Ramersdorf), + 24.5.1848 Ramersdorf (Alter: 17 Jahre 10 Monate)
-   ohne Namen, Totgeburt 1.11. 1831. Nach dieser Geburt starb die Mut-ter  Kreszentia am 9.11.1831.

III. Ehe am 21.3.1833 in Johann Baptist/Haidhausen (München) mit Anna Brandner aus Garmisch mit „Dispens im I.Grad der Schwägerschaft gleicher Seitenlinie“; Trauzeugen: Franz Paul Kuisl, Gutsbesitzer, u. Georg Wittenberger, Gärtner, beide von Haidhausen:            
-  Anna Maria Blüm (Seidl), *  2.2.1830 Ramersdorf (führte den Nachnamen Blüm. Um die ausserheliche Geburt nicht öffentlich werden zu lassen, übernahm
    für Lorenz Seidl der Bauer Martin Blüm die Vaterschaft), oo 7.8.1849 Bogenhausen mit Josef Selmayr, Hanslmarter-bauer in Bogenhausen
-  Therese Seidl, * 19.9.1832 Ramersdorf („vorehelich“, Pate: Peter Ludwig, Ziegelmeister in Ramersdorf ), + 1870, oo mit NN Klein;
-  Ludwig Seidl, * 15.1.1834 Ramersdorf, + 28.8.1885; Ludwig übernahm Hof und Ziegelstadel in den Ramersdorfer Lüften. Er blieb ledig.
-  Agnes Seidl, * 3.6.1835 Ramersdorf, + 23.8.1895 (Patin: Rosina Ludwig,  Ziegelmeistersgattin  vom Paulaner Ziegelstadel);  oo  mit NN Grünwald
-  Friederika Seidl, * 26.7.1839 Ramersdorf (Patin: Friederika Reury, Ziegelmeisterin von Ramersdorf), + 24.10.1913, oo mit NN Müller.
-  Friedrich Maximus Seidl, * 2.1.1850 Ramersdorf (Pate: Friedrich Reuner, Ziegelmeister in Ramersdorf); im Kindeslater gestorben
-  Thaddäus Seidl, * 20.9.1852 Ramersdorf (Pate: Thaddäus Brandner, Ziegelmeister in Haidhausen); + 23.1.1853 („Narioliden“)

8.   Nachkommen des Schmiedlenz mit den Familien Selmayr und Grünwald aus Bogenhausen:
-    Sohn Lorenz Seid aus der 1. Ehe des Lorenz Seidl mit Katharina Mauerstetter), Wirt in München (* 14.9.1812 Ramersdorf, + 20.6.1895), heiratete Katharina
     Grünwald (älteste Tochter von Anton Grünwald, Wirt in Bogenhausen).
-   Sohn Georg Seidl aus der 1. Ehe des Lorenz Seidl mit Katharina Mauerstetter, Sandgruben- und Ziegeleibesitzer in Bogenhausen am Priel ( * 23.3.1821
    Ramersdorf, + 5.11.1896), heiratete Anna Selmayr (Tochter von Kaspar Selmayr, Hanslmarter in Bogenhausen).
-  Tochter Anna Maria Blüml (*  2.2.1830 Ramersdorf , + 5.4.1896 Bogenhausen) aus der vor- und ausserehelichen Beziehung von Lorenz Seidl und Anna
    Brandner, seiner dritten Frau. Anna Maria Blüm, heiratete 1849 Joseph Selmayr, Hanslmarterbauer in Bogenhausen.

9.   Punkte der Schmiedlenz-Story, die nicht mit den in den Kirchenmatrikeln verzeichneten Fakten übereinstimmen.

A.   Todesdatum der Mutter von Anna Seidl, geb. Brandner, 3. Frau des Lorenz Seidl
Das Todesdatum von Agnes Brandner geb. Pischl gemäß Eintrag in der. Matrikel von Baiersoien steht nicht im Einklang mit der Schilderung in der Schmiedlenz-Story. Dort wird  die Anna Brandner etwa 1827/30, als sie beim Schmiedlenz Unterschlupf suchte, zitiert mit: „Da Vatta is in die Berg drin dafrorn und d´Muatta aa g´storbn!“ Diese starb in Bayersoien erst am 17.12.1850. Aus dem Familienbuch von Bayersoien ergibt sich ausserdem, dass Anna Maria Blüml, illegitime Tochter von Anna Brandner, offenbar zeitweise zum Haushalt der Grossmutter in Bayersoien gezählt wurde.

B.      Gleichzeitige Geburt von Kindern der beiden Schwestern Brandner
Lt. “Schmiedlenz-Story” soll dem Lorenz Seidl gleichzeitig von seiner Ehefrau Kreszens und deren Schwester Anna Brandner je eine Tochter geboren worden sein. Die Taufmatrikel von Johann Baptist Haidhausen verzeichnet am 2.2.1830 jedoch nur für Anna Brandner die Geburt ihrer  “illegitimen” Tochter  Anna Maria Blüm. Erst am 29.7.1830 bekommt die Ehefrau Kreszenz die Tochter Karolina. 

C. Ehrenbürgerschaft des Lorenz Seidl in München
In der Schmiedlenz-Story berichtet Walburga Lidl, dass Lorenz Seidl zu seinem 90.Geburtstag Ehrenbürger der Stadt München geworden sei. Auf Nachfrage beim Stadtarchiv München wurde am 13.11.20 unter dem Aktz. 4673/3231.0/2020 von Dr. Daniel Baumann folgendes geantwortet:
„in den Beständen des Stadtarchivs München ließen sich keine Hinweise auf eine Ernennung Ihres Urgroßvaters Lorenz Seidl zum Ehrenbürger der Stadt München ermitteln. In dem Akt DE-1992-BUR-0572 aus dem Bestand „Bürgermeister und Rat“ (http://stadtarchiv.muenchen.de/scopeQuery/detail.aspx?ID=306044), der Verzeichnisse der Ehrenbürger und der Inhaber der goldenen Bürgermedaille und der goldenen Ehrenmünze enthält, wird Lorenz Seidl nicht erwähnt.“

D.  Name der Hebamme bei den Geburten der Kinder von Lorenz Seidl und Anna Brandner
Entgegen den Angaben in der „Schmiedlenz-Story“ wird bei den Geburten der Kinder von Lorenz Seidl und Anna Brandner in den Taufmatrikeln niemals eine Walburga Liedl, sondern meist eine Hebamme Hackl A.M. bzw. Bauer genannt.

Die unter A bis D genannten drei Punkte sind für den Eindruck, den die Schmiedlenz-Story auf den Leser macht, stimmungsgebend und wirkungsvoll, sodass dahinter schriftstellerische Absicht zu vermuten ist. Es ist jedoch nicht abwegig anzunehmen, dass das gesamte Werk nicht von einer evtl. erfundenen Walburga Lidl, sondern von Marianne Seidl stammen könnte, die damit ihre familären Erinnerungen wirkungsvoll und gekonnt für ihre Stadtführungen und Vortragsveranstaltungen verarbeitet hat.












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